Sonntag, 25. März 2012

Martin Walser--Finks Krieg

Ein seltsames Buch! Da begibt sich einer der großen deutschen Dichter (zumindest der zeitgenössischen!) in die Niederungen des täglichen politischen, korrupten, kaputten Lebens. Fink, Leitender Ministerialrat in der Staatskanzlei, soll nach einer Wahl seinen Platz räumen. Eigentlich ein ganz normaler Vorgang. Aber nicht für Stefan Fink, der diesen Posten seit 18 Jahren inne hat. Er will diesen Posten nicht räumen, so dass man ihm, wohl üblich in den politischen Ränkespielen, Verfehlungen vorwirft. Natürlich nicht zutreffende Verfehlungen. Und so beginnt Stefan Fink einen Kampf gegen das, sagen wir ruhig, System.
In der politischen Landschaft der BRD ein sicherlich alltäglicher Vorgang. Nicht so für Fink. Jahrelang dauert sein Kampf um Rehabilitation. Alles leidet in seinem Umfeld darunter. Und der Leser ist seltsam unentschlossen in der Bewertung. Soll er Verständnis haben und durchschaut er den sinnlosen Kampf Finks, der durchaus querulatorische Züge hat. Hat er Mitleid mit Fink oder fühlt er sich auch genervt durch Finks Verhalten? Ich schwankte zwischen diesen Überlegungen und bin auch weiterhin unentschlossen in dieser Frage.
Ohne Zweifel schreibt Walser wortgewaltig. Die Charaktere werden gut herausgearbeitet. Auch Fink ist treffend geschildert. Aber dennoch stellt sich immer die Frage, Seite für Seite des Buches, warum muß diese Geschichte, die wohl einen realen Hintergrund hat, in Literatur gegossen werden? Eine Antwort habe ich nicht gefunden. Und so bleibt eine treffliche Schilderung des tagtäglichen politischen Geschehens irgendwo in Deustchland. Das ist ja auch schon eine ganze Menge!

Sonntag, 18. März 2012

Peter O. Chotjewitz--als würdet ihr leben/Mein Freund Klaus

Das Peter O. Chotjewitz einer meiner Liebnlingsschriftsteller ist, habe ich bereits mehrfach hier angesprochen.
Der Roman als würdet ihr leben beschreibt die Gedanken und Ansätze eines jungen Mädchens, welches man als hochbegabt beschreiben könnte. Nicht nur die Innensicht des Mädchen werden dargestellt, sondern der Roman ist auch eine detaillierte Schilderung der gesamten Familie. Diese Familie trifft sich und alle kommen zusammen. Alle skurrile Charaktere, alle schrägen Vögel, alle Gescheiterten und Nichtgescheiterten, irgendwie haben sie sich hier versammelt. Und dazwischen dieses hochbegabte Mädchen, das sich mittlerweile von einem dieser schrägen Vögel eine Waffe besorgt hat und nun darüber nachsinnt, welcher Verwandte nun das Opfer seines Mordanschlages sein soll. Viele kommen in Betracht, aus vielen verschiedenen Gründen.
Warum will dieses Mädchen, an der Schwelle zum Erwachsenen, diese eigentlich ungeheuerliche Tat begehen? Gründe gibt es da viele, genauso, wie es viele Gründe gibt, es nicht zu tun. Letztendlich...., es sollte der Leser sehen, ob nicht oder doch.
Peter O. Chotjewitz ist, wenn ich sein Werk richtig einschätze, seiner Linie immer treu geblieben.
Schnörkellose Romane, interessante literarische Ansätze, die mich immer wieder verblüffen. Ein unbeugsamer Schriftsteller, der seine Meinung in langen Jahren immer vertreten hat. 
Besonders ist mir das in seinem "Roman" Mein Freund Klaus aufgefallen. Dieses Buch beschäftigt sich mit dem Leben von Klaus Croissant. Croissant, wie Chotjewitz von Beruf Rechtsanwalt. Jahrelang Strafverteidiger im RAF Umfeld und später dann tragische Gestalt im Zusammenhang mit  seiner Stasivergangenheit. Unbemerkt dann verstorben und eine Marginalie in der Geschichte der BRD. Chotjewitz beschäftigt sich ausgiebig mit diesem Leben. Und das angenehm anders. Da Chotjewitz auch ein Teil der RAFgeschichte ist, er verteidigte dort am Rande auch, ist sein Blickwickel natürlich ein anderer. Er kannte die Protagonisten, ihre Meinungen und dann später ihre Entwicklung. Leute wie Schily, Ströbele tauchen auf, wie viele andere auch. Nicht alle äußern sich zu Croissant, wollen wohl nicht mehr! Und so gelingt Chotjewitz ein überzeugendes Porträt des Rechtsanwalts Croissant. Ein gebrochener Mann, eine Gefangener seiner schon verqueren Weltsicht. Daran gescheitert und verzweifelt. Chotjewitz mußte dieses Buch "Roman" nennen. Aber in seiner Konsequenz ist es eine Biografie. Eine Biografie, die nicht so genannt werden durfte. Es zeigt sich wieder einmal, wie gefährlich die Wahrheit und vielleicht auch die Erkenntnis ist. Alles in allem ein lehrreiches Buch!

Freitag, 16. März 2012

Giuseppe Tomasi di Lampedusa--Die Sirene, Erzählungen

Guiseppe Tomasi di Lampedusa, der große italienische Dichter, mit dem eigentlich kleinen, übersichtlichen Werk hat diese Sammlung von Erzählungen, Kurzprosa 1961 veröffentlicht. Nachdem großen Erfolg seines Romanes Der Leopard.
Hier also eine kleinere Form. Vier kurze Erzählungen, wobei die letzte, Die Stätten meiner Kindheit, eher eine Beschreibung seiner frühen Jugend in Sizilien ist. Die Kindheit mit seinen Eltern, die Ferien im Landhaus und immer wieder seine Heimat, Sizilien. Die Hitze, die Sonne und das Meer sind Eckpunkte in den Erzählungen. Eine unglaubliche Verbundenheit mit Land und Leute ist spürbar.
Eine wunderbare Sprache entwickelt sich in der Erzählung Die Sirene. Die Geschichte des Professors, der in seinem Leben nur eine Liebe kannte, die zu diesem Fabelwesen.
Ein anderer di Lampedusa entdeckt der Leser in Freude und moralisches Gesetz. Ein ärmlicher Buchhalter erhält sein dreizehntes Monatsgehalt und kann damit endlich seine Schulden bezahlen, muß aber gleichzeitig den Spagat der Ehre schaffen. Es ist der Ehre geschuldet, da er noch in der Schuld eines Advokaten steht, dem er einen großen Auftrag zu verdanken hat. Dieses gelingt ihm: Die Ehre ist gerettet.
Hier ist di Lampedusa seiner Sprache ganz anders, karg, knapp nicht so prosaisch wie in den anderen Erzählungen. Der Zwiespalt wird dargestellt. Die sozialen Gegensätze werden plastisch, aber auch das Kleben an der Ehre, die jede Armut, jede Bedenken überschattet.
Der Leopard kommt auch auf die Liste der interessanten Bücher!

Jean Marie Gustave Le Clezio--Das Protokoll

Als Le Clezio 2008 den Nobelpreis für Literatur erhielt, war die Verblüffung wohl ziemlich groß. Richtig bekannt war (und ist er wohl auch immer noch nicht) der Schriftsteller nicht. Das Protokoll ist nun sein Erstlingswerk. 1961 erschienen ist dieser schmale Roman und damals auch wohl eingeschlagen in die literarische Welt Frankreichs.
Wovon handelt nun dieser Roman. Adam Pollo, die Hauptfigur lebt clochardähnlich in einem Haus am Meer, welches er einfach für sich in Beschlag genommen hat. Schnell merkt der Leser, daß dieser Adam Pollo seltsam ist. Unfähig der Bindung, aus einem guten Elternhaus stammend, lebt er in den Tag hinein. Keine Freunde, eine Freundin, die ihn letztendlich nicht versteht, mehr ist da nicht. Er betrachtet die Umgebung, das Meer. Eindrucksvoll die Beschreibung der Hitze, der stechenden Sonne. 1961, auch die Zeit des Existenzialismus. So kommt der Roman auch beim Leser an. Hat es Sinn das Leben? Wenn ja, wie erklärt sich dieser Sinn für den Menschen? Auch Adam Pollo stellt sich diese Frage. Konsequent geht Le Clezio seinen erzählerischen Weg. Adam Pollo (Adam=der erste Mensch) landet in einer Nervenheilanstalt. Und dort im engen Gespräch mit den Therapeuten, ob es hilft? Darüber läßt mEn Le Clezio am Ende den Leser im Zweifel, im Unklaren.
Worüber das Buch den Leser jedoch nicht im Unklaren läßt, ist seine Kraft und Klarheit. Erstaunlich, daß bereits ein Erstlingswerk so ausgereift und erwachsen daherkommt.
Das ursprüngliche Erstaunen meinerseits über die Preisverleihung 2008 ist nach der Lektüre dieses Romanes in ein großes Interesse an weiteren Werken Le Clezios umgeschlagen!