Samstag, 24. September 2011

Melancholischer Neurotiker-- Wolfgang Hermanns "Faustini"

Dem Haymon Verlag  sei erneut gedankt für diesen kleinen, feinen Roman, den es zu entdecken gab. 
Wolfgang Hermann, ein österreichischer Schriftsteller stellt dem Leser mit Die Augenblicke des Herrn Faustini nunmehr schon den dritten Roman mit dem Neurotiker Faustini vor. Dieser Roman ist im positiven Sinne schwer zu fassen. Von Banalitäten bis hin zu philosophischen Betrachtungen; nichts läßt Wolfgang Hermann aus. Keine Zeile langweilig, sprachlich umfassend und vor allen Dingen intelligent. Ein bisschen Faustini sollte in uns sein, es würde lohnen!


Wolfgang Hermanns Roman ist mittlerweile der dritte, der sich mit dem verschrobenen Neurotiker Faustini beschäftigt.
Faustini entdeckt einen „Riß“ in seinem Leben. Damit meint er, eine Verschiebung in der Wahrnehmung seiner Umwelt. Das Leben, das er zu leben scheint, betrachtet er seltsam von außen, immer wieder mit der Fragestellung, warum tue ich das oder jenes in diesem oder einem anderen Zeitpunkt. Eine Psychologin kann ihm ad hoc auch nicht helfen und gibt ihm die Empfehlung, zu verreisen, seine angestammte Situation auf Zeit zu verlassen und der „Riß“ sei danach vergessen und vergangen. Gesagt, getan Herr Faustini verläßt Dornbirn und fährt, nach einem herrlich dargestellten Gespräch mit der Fahrkartenbuchung der Bahn und damit verbunden, der Buchung einer Bahnfahrt, nach Edenkoben. Ja, in der Tat Edenkoben, die Stadt in Rheinland-Pfalz, gelegen an der südliche Weinstraße. Warum ausgerechnet diese Stadt, nun es wird ein Geheimnis von Herrn Faustini bleiben. Eine Veränderung reichte ihm aus und diese erlebt er.
Faustini ist voller Absurditäten und Verschrobenheiten. Sein Leben verläuft nicht gradlinig und folgerichtig, nein herrlich sind diese Brüche, Verzagtheiten und ungläubigen Beobachtungen, die Faustini macht. Überhaupt sind es aus meiner Sicht die Beobachtungen, die dieses Buch tragen. Wolfgang Hermann läßt Faustini beobachten und analysieren. Die Umwelt liegt quasi wie ein Buch vor Faustini. Wenn er es öffnet, so kann er entweder darin lesen oder neue Fragen tauchen auf. Sensibel ist Faustini, weit über die Sensibilität seiner Mitmenschen hinaus, sieht er sich in seiner Umgebung. So zB in einer Szene, wenn er den Kölner Dom  besichtigt. Sein Auge sieht sofort die jahrhundertalte, düstere Atmosphäre in diesem Gemäuer, die Schwere, die Bedrückung wird für Faustini  sichtbar und greifbar. Er bedauert dieses und vergleicht das Gebäude mit dem lichten, durchströmten Dom zu Speyer. In der Tat: „ Wie schwer die stehende Zeit wog“.  Ja, die Zeit wog schwer, auch Faustini belastet sie. Aber, im Laufe der Geschichte verliert der Riß seinen Schrecken und wandelt sich. Faustini erlangt durch die Beobachtung neuen Mut, vielleicht auch, weil er merkt, daß sein Anderssein gar nicht so anders ist. Auch die Anderen sind mit Rissen behaftet, kann eventuell das ganze Leben ein Riß sein? Und so ist Faustini für mich nicht ein schwer belasteter, düsterer Neurotiker, sondern ein Sonderling im positiven Sinne. Faustini macht dem Leser Mut in einer immer komplizierter werdenden Welt. Seine Sichtweise auf die Welt läßt sie nicht so schwer erscheinen, was will man mehr!

Hier die hp von Wolfgang Hermannwolfganghermann.at/

Freitag, 9. September 2011

Chufo Lloréns, Das Vermächtnis des Marti Barbany

Der Roman des spanischen, besser gesagt, katalanischen Schriftstellers Chufo Lloréns führt uns in das Barcelona der Jahre 1053, 1055.
Erzählt werden in diesem Roman eigentlich mehrere Geschichten. Zum einen die Geschichte des Emporkömmlings Marti Barbany und zum anderen, und dieses mit realem, historischen Hintergrund die Geschichte der Fürsten von Barcelona in der damaligen Zeit. Dieser Strang der Geschichte ist dann auch der historisch belegte Teil, was zumindest die Fürsten angeht. Die Geschichte des Marti Barbany entspringt der Phantasie des Autors und ist das Kerngeschehen des Buches.
Marti Barbany wächst bei seiner Mutter auf, seinen Vater kannte er kaum, da dieser als Söldner sein Geld verdiente. Nach dem Tod des Vaters erwartet Marti eine Überraschung. Sein Vater hat für ihn vorgesorgt und den Geistlichen Eudald Llobet beauftragt, quasi als Testamentsvollstrecker, seinem Sohn zu helfen. Dieser Geistliche war nicht immer ein solcher, sondern kannte den Vater aus seiner Zeit als Soldat. Und so kommt Marti nach Barcelona um dort zu leben und zu arbeiten. Er darf nur außerhalb von Barcelona leben, da er nicht Bürger dieser Stadt ist. Jedoch gelingt es ihm, eine zweifelhafte Freundschaft zu Bernat Montcusi aufzubauen, der ein einflussreicher Bürger der Stadt ist und Marti verliebt sich, so viel sei verraten, mit sehr unglücklichem Ende in Laia Betancourt, die Stieftochter Montcusis. Auch entwickelt sich eine intensive Freundschaft zu Beruch Benvenist, dem Vorsteher der Geldverleiher, also einem Menschen jüdischen Glaubens. Dieser ist Marti ein verläßlicher Ratgeber in vielen Dingen seiner Lebens. In all diesen Geflechten gelingt es Marti reich zu werden. Besonders hilft ihm dabei das schwarze Öl, das Barcelona praktisch ermöglicht, Laternen in den Straßen aufzustellen und damit die Stadt sicherer zu machen. Dieses wird von Marti entdeckt und dann nach Barcelona gebracht.
All das hört sich positiv an, wäre da nicht der durchtriebene und hinterlistige Bernat Montcusi, der ein falsches Spiel mit unserem Helden spielt. Und so baut sich die Spannung zum Ende hin auf und Marti erreicht zum Ende hin, um das falsche Spiel von Bernat Montcusi zu entlarven, dass eine „lis honoris“ zwischen den beiden Kontrahenten ausgetragen werden muss. Es handelt sich dabei um ein streng reglementiertes Streitgespräch zur Wiederherstellung der Ehre der beteiligten Personen. Zu welcher Seite am Schluß sich das Blatt wendet, mag der geneigte Leser herausfinden.

Fast 700 Seiten pralles, sinnenfrohes Leben in einer pulsierenden Stadt Barcelona breitet Chufo Lloréns dem Leser aus. Ein Roman, der alles hat: Verwicklungen, Liebesgeschichten und Darstellungen zB, der Handelsverbindungen im 11. Jahrhundert auf der Welt. Sprachlich auf der Höhe gelingt es Lloréns dem Leser eine Epoche des heutigen Spaniens und eine Stadt, die wohl bis heute nichts an Reiz verloren hat, nahe zu bringen. Die Charaktere leben aus ihren Gegensätzen heraus. Die Hauptfiguren sind stimmig gezeichnet und man nimmt ihnen ab, dass sie diesen oder jenen Charakterzug haben. Wobei allerdings auch eine gewisse Blässe störend auffällt.
Darin liegt die Problematik des Romans. Er lebt etwas zu sehr von einer gewissen Schwarz/Weiß Zeichnung der Charaktere, sie sind etwas eindimensional, etwas zu berechenbar. Und so geht dann die Geschichte auch ruhig dahin. Sie ist nicht langweilig, nein, damit würde man Lloréns Unrecht tun, aber es fehlen andererseits leider auch etwas die Höhepunkte in der Erzählung.
Ein Höhepunkt zum Schluss ist dann sicherlich noch einmal die oben bereits erwähnte „lis honoris“. Hier zeigt Lloréns deutlich auf, dass er spannend erzählen kann, die Wendungen in diesem Streitgespräch sitzen und überzeugen. Hier erfährt der Roman Tempo und Verve. Leider ist das Ende durchaus vorhersehbar.

Was also erhält der Leser mit diesem Buch? Er erhält sicherlich ein Buch, was zum Gegenstand hat eine schon vor rund 800 Jahren faszinierende Stadt: Barcelona. Eine klug angelegte Geschichte, gut gemischt zwischen historischen Fakten und erzählerischer Freiheit. Ein sehr liebevoll ausgestattetes Buch mit Anhang, Glossar und Personenverzeichnis.
Was er nicht erhält, ist ein Buch mit überraschenden Wendungen und Spannung bis zur letzten Seite. Und darin liegt auch ein klein wenig die Schwäche des Buches.
Der Leser mag sich insofern ein eigenes Bild machen. Lohnend ist es auf jeden Fall!

Zivilcourage

An dieser Stelle möchte ich einmal auf ein kleines, feines schmales Buch hinweisen, daß mich vor einiger Zeit doch sehr angesprochen hat.


Antonio Tabucchi, Erklärt Perreira.

Tabucchi ist Italiener lebt aber auch in Portugal. Er schreibt auf italienisch, abgesehen von einem Buch und ist gleichzeitig Herausgeber und Kommentator der Werke des großen portugiesischem Dichters Fernando Pessoa.

Tabucchi beschreibt in diesem Buch das Leben eines älteren Kulturredakteurs in einem diktatorischen Staatssystem. Konkret ist es das Jahr 1938 in der Salazar Diktatur in Portugal. Ein heißer Sommer, der Leser spürt schon fast die Hitze, die auf den Figuren des Romanes lastet. Diese ist ist aber gleichzeitig ein Zeichen für die Qualen, die die Hauptfigur, Perreira, aushalten muß und die immer stärker für ihn werden. Auch ein Zeichen für die wachsende Zivilcourage von Perreira. Zunächst politisch uninteressiert, wechselt er später in die Opposition. Dieses erzählt Tabucchi konsequent und in sich schlüssig. Dabei bedient er sich des erzählerischen Kunstgriffes, daß er das Buch als Vernehmung durch die Polizei schreibt. Es ist dabei nicht ersichtlich, wer Perreira vernimmt. Tabucchi bedient sich ferner dabei der Wiederholung und zwar dergestalt, daß er den Titel des Buches, Erklärt Perreira, immer wieder als Floskel Sätzen voranstellt. Interessanterweise ist das zwar eine Floskel, aber es wird nicht floskelhaft. Ich bin der Ansicht, daß man diese Floskel auch schon fast als seine verbalisierte Auflehnung gegen das System deuten kann, denn sie wird im Trotz und dennoch mutig immer wieder ausgesprochen. Und Perreira wächst an dieser Floskel, Formel. Er wächst an ihr und wird auch durch ihr zu einem Erkennenden der Umstände in seinem Land. Das ist die politische Seite des Buches. Was mir aber darüber noch auffiel, waren die Beschreibungen der Menschen und der Orte in dem Buch. Liebevoll, detailgetreu schildert er "Land und Leute". Auch die täglichen Abläufe des Lebens von Perreira werden plastisch dargestellt, ohne zu langweilen.
Ein Buch, das die Entwicklung eines Lebens, einer Zivilcourage zeigt und das damit unverzichtbar ist.

Robert R. McCammon, Unschuld und Unheil, eine Reise in das Amerika der 60er Jahre.

Robert R. McCammon ist eigentlich als Autor von Horrorliteratur bekannt geworden. Mir war er bislang überhaupt nicht bekannt. Der Roman stand im Regal, wie er da hin kam, keine Ahnung. Wahrscheinlich eines der unzähligen Bücher, welches auf dem Flohmarkt, im modernen Antiquariat gekauft wurde.
Egal, ein spannendes, fesselndes Buch!
 
Es schildert die Geschichte des Cory Jay Mackenson im Jahre 1964 in Alabama in der Kleinstadt Zephyr. Unterteilt ist der Roman in 4 Kapitel, die den Jahrezeiten entsprechen. Es beginnt mit einer unheimlichen Begegnung Corys und seines Vaters auf einer Landstraße, die sein und das Leben seines Vaters grundlegend verändert!
Das es um Mord geht und sich irgendwo im Buch eine Geschichte darum rankt, ist eigentlich eine Nebensache.
Hauptsache des Buches ist das Amerika der 60 er Jahre, das beginnende Erwachsenwerden der Jungen und damit verbunden die Sorgen der Eltern. Der noch offene Rassimus, das Wort "Nigger" wird öffentlich ausgesprochen. Hauptsache ist auch der Ort, die Stimmungen in diesem Ort in den jeweiligen Jahreszeiten und die skurrilen Personen an allen Ecken und in allen Häusern! Wie zB Owen Cathcoate, der sich bei Friseur rühmt, bei der Schießerei am O. K. Corral einen Mann getötet und damit das Leben von Wyatt Earp gerettet zu haben. Herrlich vom Autor ausgeschmückt und ironisiert, da natürlich dem alten Mann niemand glaubt. Aber der alte Herr wird es noch seinen Kumpels zeigen und in einer brenzligen Situation eine wichtige Rolle spielen. Auch der Großvater, Jaybird, ist ebenfalls eine dieser verschrobenen Charaktere.Und mitten drin Cory, der eine Antenne für das Schreiben hat und als Erwachener als gestandener Schriftsteller in den kleinen, verschlafenen Ort Zephyr für kurze Zeit zurückkehrt. Mit Familie an seiner Seite kommen ihm nocheinmal die Gedanken und Gefühle seiner Kindheit, wenn er durch den nun verfallenen Ort streift.
Ein schönes Ende, dieses Buchs, das sich zwar Thriller nennt, aber keiner ist.
Das ist auch gar nicht schlimm, sondern in diesem Falle gut für den Leser, der eine gut geschriebene, stimmige Geschichte voller Verschrobenheit und liebevoller Betrachtungen aus der Sicht eines 12 jährigen Jungen präsentiert bekommt!
Daher meine unbedingte Empfehlung: lesen

Geschichte, sehr lebendig

Iris Kammerers Roman Varus ist einer der gelungensten historischen Romane, den ich in der letzten Zeit gelesen habe. Und zu einigen habe ich in der letzten Zeit ja auch geschrieben.
Wie der Titel schon sagt, spielt der Roman zur Zeit der Varusschlacht, also der Schlacht bei der den Römern, geführt durch eben diesen Varus,  durch den germanischen Feldherrn Arminius eine verheerende Niederlage beigebracht wurde. Diese legendenumwobene Schlacht, deren genaue Örtlichkeit bis heute unter den Amateurforschern bis hin zu den Profis einigermaßen umstritten ist. Iris Kammerer gelingt es historisch sehr präzise zu sein. Der Roman besticht durch eine genaue, dem historischen Kontext angemessene Sprache. Das ist nicht immer in historischen Romanen der Fall. Ein kleine Liebesgeschichte ist auch dabei; es handelt sich jedoch nicht um die herkömmlich "Boy-meets-Girl" Konstellation, sondern Iris Kammerer schildert darin noch geschickt den Konflikt, die Begebenheit zwischen Herr und Sklave und später dann zwischen einer befreiten Sklavin und ihrem ehemaligen Herrn. Nun gut, es ist auch eine Liebesgeschichte zwischen einem Römer und einer Germanin, aber sie paßt. Iris Kammerer scheut nicht davor zurück, die Schlachtszenen drastisch darzustellen. Krieg war und ist zu jeder Zeit brutal, menschenverachtend und grausam. So auch schon vor ca. 2000 Jahren. Nur die Mittel und Waffen waren andere. Das kommt deutlich in dem Buch heraus. Aber auch die Geschichte von Freundschaft und Verrat wird erzählt. Nicht zuletzt ist es auch der Verrat von Arminius an Varus, der den Reiz des Buches ausmacht. Warum nun Arminus diese tat, auch mit dieser Brutalität tat, bleibt, wie auch in der realen Geschichte, offen. Das muß auch nicht die vordringliche Aufgabe eines historischen Romans sein. Dieses ist Aufgabe der Geschichtsschreibung und der Historiker, nicht der der Schriftsteller. Iris Kammerer hat den schmalen Grat dazwischen hervorragend gelöst. Sie hat einen historisch präzisen und erzählerisch gelungenen Roman geschrieben. Das ist ihr hoch anzurechenen und dieser Roman ist eindeutig zu empfehlen.

Sonntag, 4. September 2011

Ein Verwirrspiel--Edith Kneifl, Zwischen zwei Nächten

Der zweite Roman von Edith Kneifl, den ich in kurzer Zeit gelesen habe. Ein gelungener Krimi, der auch als dichte Studie einer Frauenfreundschaft gelesen werden kann. Alles in allem ein gelungener Roman, psychologisch dicht und spannend bis zur letzten Seite. Zur Recht mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet

Edith Kneifls Krimi ist erstmalig 1991 erschienen und wurde 1992 mit dem Friedrich-Glauser-Preis für den besten deutschsprachigen Kriminalroman ausgezeichnet. Nun ist dieser Roman, der vergriffen war, im Haymon Verlag als Taschenbuchausgabe neuveröffentlicht worden.
Zum Glück kann dazu nur gesagt werden, erhält der Leser doch einen interessanten, außerhalb des gängigen Krimigenres liegenden Roman.
Anna und Ann-Marie, eigentlich Anne-Marie sind alte Freundinnen. Die eine, Anna, lebt in Wien, die andere Ann-Marie in New York. Gemeinsamen haben sie ihre Vergangenheit in Wien, dort stammen beide her. Und nun ist Anna tot. Selbstmord sagt die lapidare Erklärung der Polizei. Ann-Marie glaubt das nicht, nein, nicht Anna, ihre gute, alte Freundin, die noch voller Pläne mit ihr war. Und so begibt sie sich in Wien auf die Suche nach dem Täter. Nur wenig Zeit bleibt ihr dafür und je mehr sie sich in dieser Suche verliert, umso mehr wird es auch eine Verwirrung ihrer Gedanken, Gefühle und auch Kenntnisse über ihre alte Freundin. Was ist im ihrem Bild über ihre Freundin richtig und was ist falsch? Sind alte Bilder richtig oder neue Informationen, die sie bekommt? Alles eigentlich offen, hin bis zum Schluß.
Edith Kneifls Roman ist unkonventionell. Nichts ist so, wie es scheint. Es herrscht mit zunehmender Geschichte der Zweifel vor. Keine strahlenden Krimihelden sind hier die Protagonisten, sondern Personen, die an sich zweifeln, zweifeln an dem, was sie bisher für richtig hielten. Das trifft besonders zu auf Ann-Marie, diese gebrochene Frau aus New York City. Sie nimmt an, daß ihre Freundin Anna einen Schlußstrich unter ihr Leben in Wien gezogen hat, ihren untreuen Ehemann verlassen und das ungeliebte Architekturbüro verkaufen will. Und sodann zu Ann-Marie nach New York gehen will. Aber immer mehr Zweifel kommen ihr nach Gesprächen mit verschiedenen Menschen, die Anna kannten und schätzten. Diese Zweifel macht Kneifl plastisch. Die Eigenschaften der handelnden Person verschwimmen mit fortschreitender Handlung. Spannend ist diese Konstruktion. Selten habe ich in einem Krimi so gut gezeichnete Charaktere gefunden. Beide Frauen sind in ihrer Gebrochenheit absolut authentisch. Die immer stärker werdende Skepsis bei Ann-Marie ist greifbar. Aber ist auch Ann-Marie die Person, für die sie sich auch selbst hält? Der Leser sollte bis zuletzt seine Vorbehalte haben. Nichts ist, wie es scheint, aber bis zum Schluß lesenswert und spannend. Dieser Roman ist gekennzeichnet durch dichte Beschreibungen der Psyche von Anna und Ann-Marie und das macht ihn unbedingt empfehlenswert.