Sonntag, 30. März 2014

Elif Shafak, Ehre, grandiose Familiengeschichte


Der Verlag Kein & Aber fragte an, ob ich Interesse an einem Rezensionsexemplare hätte. Zum Glück habe ich diese Anfrage  positiv beantwortet.
Ein grandioser, exzellent  erzählter Roman wäre an mir vorbei gegangen. 
Elif Shafak ist eine Entdeckung! Hier meine Rezi, w. ü. auch auf amazon.


Diese türkische Schriftstellerin gilt es zu entdecken. Mit dem Roman „Ehre“ legt sie dem Leser einen prachtvollen, nachdenklich stimmenden und eindrücklichen Roman über eine Familie vor. Eine Geschichte über Zwillingsschwestern und ihren Lebensläufen. Pembe und Jamila trennt das Leben. Die eine bleibt in ihrem kleinen Dorf, irgendwo am Euphrat und wird Hebamme und die andere geht nach London .
In ein London Mitte der 70er Jahre. Der Punk entsteht und auch in der Familie gibt es Brüche. Brüche, die eigentlich nicht so gravierend erscheinen, aber in archaisch geprägten Familien wohl unweigerlich zur Katastrophe führen müssen. Alles bricht auseinander, nichts bleibt mehr so wie es war.
Einen wuchtigen Roman hat da Elif Shafak dem Leser vorgelegt. Sprachgewaltig und, so kam er mir vor, enorm spannend, fesselnd. Nicht im Sinne eines Krimis, eines Thrillers, nein sondern in seiner Thematik. Der Leser geht mit den Figuren und Charakteren. Viele Fäden verbinden sich und der Leser gewinnt Einblicke in die Strukturen der alte Traditionen in kurdischen Familien. Und so gestaltet sich das Lesen dieses Buches quasi wie im Flug. Alle Charaktere, mit ihren Stärken und Schwächen, konnten sich entwickeln, die Autorin gibt ihnen den Raum und die Zeit im Roman. Dadurch schafft sie es allen gerecht zu werden. Auch die eigentlich negativ besetzten haben ihren Stellenwert. Ihre Motiv werden dargestellt, ob man ihnen folgen will, steht dann auf einem anderen Blatt.
Und der Roman zeigt auch die die Ursachen der Katastrophe. Wenn vieles in einem Leben zusammenbricht, so wird auch der ein oder andere Mensch empfänglich für Einflüsterungen von der falschen Seite und verändert sich. Dieses stellt Elif Shafak in der Person von Iskender, dem Sohn, und seinem Schicksal dar. Seine monströse Tat führt, so habe ich es empfunden, aber nicht dazu, diesen jungen Mann, der für seine Tat büßt, völlig zu verurteilen. Nein, seine Entwicklung ist durch äußere Einflüsse massiv bestimmt. Ob er das alles so gewollt hat, es steht in Frage. Seine Verantwortung kann er nicht wegdiskutieren. Sein Schicksal ist gegeben, er muss damit leben.
Am Ende dieses Romans verbinden sich viele Fäden. Geschickt von Elif Shafak verknüpft. Es endet eine spannende, aufwühlende Reise durch viele Jahre und Schicksale. Überzeugend erzählt!

Sonntag, 16. März 2014

Gelungen, mit vielen Fragen! Lydia Mischkulnig- Vom Gebrauch der Wünsche

Es gibt seltsam schöne Bücher. Bücher, die sich einem nur schlecht oder teilweise garnicht erschließen. Deren Symbolik man vielleicht nicht versteht.  Die Thematik kommt nicht an, es kann vielfache Gründe haben. Aber dennoch haben diese Bücher ihren Reiz, ihre Geheimnisse. 
So ein Buch ist Vom Gebrauch der Wünsche von Lydia Mischkulnig. 
Dem Haymon-Verlag wie üblich Dank für das ebook.

Hier die Rezension aus amazon:


Selten hat mich ein Buch so ratlos gelassen.
Lydia Mischkulnig erzählt die Geschichte des Leon Schellander. Beginnend mit seiner Mutter, mamu genannt, in einem Altenheim als kleiner Junge lebend. Ein seltsamer alter Mann, Giovanni, ist völlig auf den Jungen fixiert. Es lässt sich böses ahnen. Der alte Mann stirbt unter mysteriösen Umständen. Leon und seine Mutter verlassen das Altenheim. Leon wächst auf, studiert, heiratet, lebt eine im Prinzip unglückliche Ehe mit drei Kindern. Zum Ende hin, nach Scheidung von seiner Frau Elsbeth, trifft er auf Irmgard einer geheimnisvollen, seine Leidenschaft für Tango teilenden Frau. Alles scheint vertraut, wie aus einem anderen Leben. Und Leon, so möchte ich sagen, begibt sich auf die Suche. Auf die Suche nach gestern.
Die Geschichte ist im Prinzip so einfach erzählt. Aber es ist nicht einfach, zum Glück. Mischkulnig baut Fallen, falsche Richtungen in Ihre Geschichte. Auch als die letzte Seite gelesen war, habe ich mich im Zweifel gefunden. Im Zweifel über guten und böse, im Zweifel über die Aussage, im Zweifel über die Symbolik des Romans. Der Tango, ja wofür steht er; für die Sehnsucht? Für die kühle Erotik? Vielleicht auch für das Fremde, Verborgene? Für die Distanz zwischen den Partner? All das mag es sein. Es entsteht dadurch in Bild im Kopf des Lesers, welches durchaus gefällt. Dennoch kommen immer wieder Szenen und Sätze im Roman, die zweifeln lassen.
Ein verschlossenen Roman bietet sich dem Leser. Viel Raum für Spekulationen auf Seiten des Lesers ist da. Und das ist auch gut so, zieht der Roman gerade daraus seine Kraft und seine Faszination.
Sprachlich ist Lydia Mischkulnig auf der Höhe. Fein gesponnen sind die Sätze und auf den Punkt geschrieben. Der Leser merkt, dass diese Schriftstellerin schon zu Recht einige bedeutende Literaturpreise erhalten hat. Stilsicher ist Lydia Mischkulnig in ihrer Sprache. Thematisch hatte ich insofern nicht immer den Eindruck. Und so ergeben sich kleine Einschränkungen bei der Thematik, die etwas gegen Ende den Gesamteindruck trüben.