Sonntag, 12. Juni 2011

John Brunner, Morgenwelt (Stand on Zanzibar)

Seltsam, da liest man am Anfang des Jahres zunächst kürzere Bücher und kurz danach landet man wieder bei den umfangreichen.
Hier die Vorankündigung zur momentanen Lektüre:
John Brunner, Morgenwelt, ein SciFi-Roman von einem der ganz großen Autoren dieses Genres. Was bislang auffiel ist die Fragestellung: handelt es sich überhaupt um Science-Fiction? John Brunners Roman ist zuerst 1965 erschienen. Vieles also, was er in seinem Buch beschreibt, ist heute ein stückweit Realität. Das ist allerdings nicht die Aufgabe von SciFi und auch wohl nicht John Brunners Anliegen. Sein Anliegen ist die Darstellung von Möglichkeiten, wie sich Gesellschaften entwickeln könnten. Und das gelingt ihm. Ist es weit hergeholt heute zu behauptet, daß, natürlich auch, große Konzerne das gesellschaftliche Leben prägen und beeinflußen? Wer bestimmt mit heute mit in einer modernen, westlichen Gesellschaft? Ist es der Bürger? Oder liegt schon ein großer Bereich bei den über die ganze Welt verteilten "Mega"Konzernen? Genau dies ist die Fragestellung bei John Brunner.
Hier weitere Informationen über den Autor John Brunner: John Brunner
Nach der Lektüre mehr.

Samstag, 11. Juni 2011

Georges Perec; Das Leben - Gebrauchsanweisung

Es ist in der Tat ein gewaltiges Werk, daß der französische Autor dort in 10 langen Jahren geschrieben hat. In 99 Kapiteln erzählt er, wenn das überhaupt der richtige Begriff ist, das Leben in einem Pariser Haus. Zunächst war ich erst einmal von der Vielzahl der Personen etwas verwirrt, aber mit zunehmender Lesedauer entwickelt der Roman einen eigentümlichen Sog. Kuriose, skurrile, herrlich abgedrehte Geschichten begegnen dem Leser. Dabei bildet ein Handlungsstrang eine Konstante und zwar die Geschichte um Bartlebooth. Dieser Exzentriker hat es sich zum Zeil gesetzt, sozusagen, das ultimative Puzzle  zu schaffen. Dazu betrachtet er die herkömmlichen Puzzle und stellt fest, daß bei ihnen regelmäßig die gleichen Formen auftauchen, was natürlich auf die Dauer langweilt. Er nimmt Zeichenunterricht und reist anschließend durch die Welt, um diese zu zeichnen und zu malen. Begleitet wird er dabei von seinem ergebenen Diener Smautf. Die Bilder, die er malt, schickt er nach Hause, wo sie in kunstvoller und besonderer Weise in Puzzle umgearbeitet werden. Nach 20 Jahren ist seine Reise zu Ende und Barlebooth kehrt in das Haus zurück um fortan Puzzle zu lösen.
Allein diese Geschichte, die sich durch das gesamte Buch zieht, zeigt, welche Phantasie Perec  in sein Buch legt. Immer wieder tauchen kleine Geschichten auf, die den Leser verblüffen, ihn in andere Welten abtauchen lassen. Leid und Freud liegen eng nebeneinander. Perec nimmt das Leben nicht auf die leichte Schulter, sondern zeigt es in fast allen Schattierungen. So auch das Ende des Buches: Barthelbooth stirbt über ein Puzzle gebeugt, in seiner Hand ein Puzzleteil geformt wie ein "W", doch in das Puzzle muß noch ein Teil hinein geformt wie ein "X". Und so zeigt Perec, daß alles vergeht, vielleicht alles vergebens ist. Es endet dann auch bezeichnender Weise mit einem "X". So ziehen sich viele Anspielungen durch dieses Buch, interessant diese zu entdecken und aufzunehmen.

Hier Zitate aus dem Buch:
Durch die Treppenhäuser huschen die flüchtigen Schatten all derer, die eines Tages da waren.
Auf das Puzzle bezogen findet sich ein wunderbares Bild.
...einzeln betrachtet hat der Baustein eines Puzzles keine Bedeutung; er ist nur eine unmögliche Frage, eine undurchsichtige Herausforderung; doch kaum ist es einem gelungen, ihn nach einigen Minuten der Versuche und der Irrtümer oder in einer ungewöhnlich inspirierten Halbminute mit seinen Nachbarn zu verbinden, verschwindet der Baustein, hört auf, als Baustein oder Einzelteil zu existieren...
Wie das Verhältnis von Perec zu Religionen, speziell dem Christentum war, entzieht sich meiner Kenntnis, aber das Bild des Puzzles erscheint mir als Gegenentwurf zu dem christlichen Begriff  "viele Glieder, ein Leib".
Perec setzt hier mEn das Gesamte über die Bedürfnisse des Einzelnen, ohne aber auch den Einzelnen als wichtige Voraussetzung des Gesamten zu vergessen. Ob diese These Perecs trägt, mag der geneigte Leser für sich entscheiden.