Freitag, 9. September 2011

Chufo Lloréns, Das Vermächtnis des Marti Barbany

Der Roman des spanischen, besser gesagt, katalanischen Schriftstellers Chufo Lloréns führt uns in das Barcelona der Jahre 1053, 1055.
Erzählt werden in diesem Roman eigentlich mehrere Geschichten. Zum einen die Geschichte des Emporkömmlings Marti Barbany und zum anderen, und dieses mit realem, historischen Hintergrund die Geschichte der Fürsten von Barcelona in der damaligen Zeit. Dieser Strang der Geschichte ist dann auch der historisch belegte Teil, was zumindest die Fürsten angeht. Die Geschichte des Marti Barbany entspringt der Phantasie des Autors und ist das Kerngeschehen des Buches.
Marti Barbany wächst bei seiner Mutter auf, seinen Vater kannte er kaum, da dieser als Söldner sein Geld verdiente. Nach dem Tod des Vaters erwartet Marti eine Überraschung. Sein Vater hat für ihn vorgesorgt und den Geistlichen Eudald Llobet beauftragt, quasi als Testamentsvollstrecker, seinem Sohn zu helfen. Dieser Geistliche war nicht immer ein solcher, sondern kannte den Vater aus seiner Zeit als Soldat. Und so kommt Marti nach Barcelona um dort zu leben und zu arbeiten. Er darf nur außerhalb von Barcelona leben, da er nicht Bürger dieser Stadt ist. Jedoch gelingt es ihm, eine zweifelhafte Freundschaft zu Bernat Montcusi aufzubauen, der ein einflussreicher Bürger der Stadt ist und Marti verliebt sich, so viel sei verraten, mit sehr unglücklichem Ende in Laia Betancourt, die Stieftochter Montcusis. Auch entwickelt sich eine intensive Freundschaft zu Beruch Benvenist, dem Vorsteher der Geldverleiher, also einem Menschen jüdischen Glaubens. Dieser ist Marti ein verläßlicher Ratgeber in vielen Dingen seiner Lebens. In all diesen Geflechten gelingt es Marti reich zu werden. Besonders hilft ihm dabei das schwarze Öl, das Barcelona praktisch ermöglicht, Laternen in den Straßen aufzustellen und damit die Stadt sicherer zu machen. Dieses wird von Marti entdeckt und dann nach Barcelona gebracht.
All das hört sich positiv an, wäre da nicht der durchtriebene und hinterlistige Bernat Montcusi, der ein falsches Spiel mit unserem Helden spielt. Und so baut sich die Spannung zum Ende hin auf und Marti erreicht zum Ende hin, um das falsche Spiel von Bernat Montcusi zu entlarven, dass eine „lis honoris“ zwischen den beiden Kontrahenten ausgetragen werden muss. Es handelt sich dabei um ein streng reglementiertes Streitgespräch zur Wiederherstellung der Ehre der beteiligten Personen. Zu welcher Seite am Schluß sich das Blatt wendet, mag der geneigte Leser herausfinden.

Fast 700 Seiten pralles, sinnenfrohes Leben in einer pulsierenden Stadt Barcelona breitet Chufo Lloréns dem Leser aus. Ein Roman, der alles hat: Verwicklungen, Liebesgeschichten und Darstellungen zB, der Handelsverbindungen im 11. Jahrhundert auf der Welt. Sprachlich auf der Höhe gelingt es Lloréns dem Leser eine Epoche des heutigen Spaniens und eine Stadt, die wohl bis heute nichts an Reiz verloren hat, nahe zu bringen. Die Charaktere leben aus ihren Gegensätzen heraus. Die Hauptfiguren sind stimmig gezeichnet und man nimmt ihnen ab, dass sie diesen oder jenen Charakterzug haben. Wobei allerdings auch eine gewisse Blässe störend auffällt.
Darin liegt die Problematik des Romans. Er lebt etwas zu sehr von einer gewissen Schwarz/Weiß Zeichnung der Charaktere, sie sind etwas eindimensional, etwas zu berechenbar. Und so geht dann die Geschichte auch ruhig dahin. Sie ist nicht langweilig, nein, damit würde man Lloréns Unrecht tun, aber es fehlen andererseits leider auch etwas die Höhepunkte in der Erzählung.
Ein Höhepunkt zum Schluss ist dann sicherlich noch einmal die oben bereits erwähnte „lis honoris“. Hier zeigt Lloréns deutlich auf, dass er spannend erzählen kann, die Wendungen in diesem Streitgespräch sitzen und überzeugen. Hier erfährt der Roman Tempo und Verve. Leider ist das Ende durchaus vorhersehbar.

Was also erhält der Leser mit diesem Buch? Er erhält sicherlich ein Buch, was zum Gegenstand hat eine schon vor rund 800 Jahren faszinierende Stadt: Barcelona. Eine klug angelegte Geschichte, gut gemischt zwischen historischen Fakten und erzählerischer Freiheit. Ein sehr liebevoll ausgestattetes Buch mit Anhang, Glossar und Personenverzeichnis.
Was er nicht erhält, ist ein Buch mit überraschenden Wendungen und Spannung bis zur letzten Seite. Und darin liegt auch ein klein wenig die Schwäche des Buches.
Der Leser mag sich insofern ein eigenes Bild machen. Lohnend ist es auf jeden Fall!

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