Donnerstag, 21. April 2011

Joseph Zoderer; Die Farben der Grausamkeit. Verwirrungen eines Lebens

Es ist zunächst ein verstörender Titel. Ein Titel, der den Leser erst einmal vor diesem großen Roman des Südtiroler Schriftstellers Joseph Zoderer zurückschrecken läßt. Dabei erzählt der Roman nicht nur von Grausamkeit, sondern auch von kleinen und großen Momenten des Glücks und der Zufriedenheit. Aber der Reihe nach.
Selma und Richard sind ein Ehepaar. Er Journalist, sie jetzt Mutter und Hausfrau. Das Haus in den Berg ist gebaut und dem Genuß des Lebens in Familie und glücklicher Ehe würde für Richard nichts im Wege stehen. Wenn da nicht Gisela wäre. Wie Zoderer schreibt, mit „selbstzerstörerischer Lust“ geht Richard ein Verhältnis ein. Eine „amour fou“ im besten Sinne. Eine Liebe, die an die Substanz geht, eine Liebe, in der sich die Protagonisten nichts schenken, bis dann Richard doch den Schritt der Trennung vollzieht und zunächst zu Frau und Kindern zurückgeht. Nicht von langer Dauer, seine Redaktion versetzt in nach Berlin, weit weg von dem Bergidyll in dem er mit Frau und Kindern lebt.
Und in den Wirren der Deutschen Einheit begegnen sich Gisela und Richard wieder. Die leidenschaftliche Affäre beginnt erneut. Nun begleitet durch die Deutsche Einheit und dem neuen Leben, dem offenen Leben in Berlin. Bis nach Barcelona folgt Richard der lebenslustigen, aber auch in sich zweifelnden Gisela. Wieder spielt  eine Großstadt eine Rolle in der Geschichte, wieder zeichnet Zoderer mit starkem Wortstrich Bilder von Begegnungen und Szenen. Barcelona aber auch als Endpunkt einer Beziehung? Bleibt Richard oder nicht? Der Leser mag sich selbst auf den Weg der Findung machen.
Zoderer erzählt von Zweifeln, von Zweifeln in dem Leben seines „Helden“ Richard. Eigentlich hat er alles erreicht: er ist mit einer attraktiven, erfolgreichen Frau verheiratet, hat zwei Kinder und hat noch dazu ein Haus in den Bergen zwar nicht gebaut, dennoch von  Grund auf saniert und bewohnbar gemacht. Aber irgendetwas bohrt in ihm. Sollte das alles gewesen sein? Und so erzählt Zoderer von der Beziehung zu Gisela, rastlos und unstet, immer sich hinterfragend. Zoderer gelingt es diese Ratlosigkeit, diese Verzweiflung darzustellen. Orte spielen eine Rolle, kleine Erlebnisse am Rande eingeflochten in diese Geschichte runden sie zugleich ab.
Was mir aber  besonders auffiel, ist die Zoderersche Sprache. Nie sentimental, sondern immer  direkt und kraftvoll. Es ist ein Vergnügen diese Sprache zu lesen. Der Winter in Bergen wird lebendig vor dem Auge des Lesers, wie auch die inneren Konflikte der Beteiligten. Ein kraftvolle Sprache, aber auch in den Details liebevoll, fast schon zärtlich. Zoderer beherrscht seine Geschichte; kein Wort zuviel, keine Übertreibung. Die Sprache entwickelt souverän eine Geschichte, die nicht nur in die Tiefe geht, nein, sie zieht den Leser auch mit. Ich will nicht sagen, daß das Buch spannend ist, das würde der Geschichte und der Aussage nicht gerecht, aber das Buch zieht den Leser in den Bann. Er ist gefangen zwischen den Personen und ihrer Entwicklung. Der Leser will erfahren, wie es mit den Personen weitergeht; welches Ende es nimmt, ob es überhaupt eine Ende gibt oder ob Zoderer das offen hält.
Zoderer ist ein großer Wurf mit diesem Roman gelungen. Eine Dreiecksgeschichte in der es um Liebe, Verzweiflung, Irrtum und auch Betrug geht. Dazu kommt noch die Geschichte der Deutschen Einheit, die geschickt darum baut ist. Orte, Geschehnisse, kleine Episoden am Rande der Geschichte kommen hinzu und bilden eine Einheit in diesem Buch.
Joseph Zoderer hat seinem Werk ein Kleinod hinzugefügt

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