Freitag, 22. April 2011

Ein neuentdeckter niederländischer Autor

Natürlich, Jeroen Brouwers ist kein neuer Schriftsteller, sondern ein weiterer Schriftsteller aus den Niederlanden, den ich entdecke.
In seinem Buch Geheime Zimmer beschreibt er das Leben zweier Ehepaare, die in einer Geschichte miteinander verbunden sind. Es ist die Geschichte von Jelmer van Hoff und der begnadeten Sängerin Daphne, die die Ehefrau seines Studienkollegens Nico Sibelijn ist. Und es ist die Geschichte gescheiteter Ehen und Lebenswege. Jelmer, der "Held" ist rundum erfolglos. Sein ehemaliger Freund Nico ist zunächst der gefeierte Star der Archäologie, Jelmer ein arbeitsloser Geschichtslehrer, dem später ein ehemaliger Schüler das Kompliment macht, er hätte so "schön erzählen können". Die Ehe von Nico erscheint glücklich, Jelmer und seine Frau Paula haben sich schon seit Jahren auseinander gelebt. Die behinderte Tochter, Hannecke, haben sie in ein Heim abgeschoben. Paula hat ein Verhältnis mit ihrem Kollegen, mit dem sie eine Arztpraxis betreibt. Sie und Jelmer leben auf einem Hausboot, strikt von einandergetrennt, jeder in seinem Zimmer.
Alles in allem eine verfahrene, gespannte, ausweglose Situation. Und in dieser Situation verliebt sich Jelmer in Daphne. Eine Liebe, die zumindest im körperlichen nicht stattfindet.
Jeroen Brouwers läßt in diesem Gemengelage kein Klischee aus. Seine Hauptfigur, der Ich-Erzähler Jelmer ist ein "Looser". Er hat seine Wehwehchen, seine Verdauung stimmt nicht bis hin zur Diarrhö. Dies alles wird beschrieben, genau so selbstverständlich wie die turtelnden  Gespräche am Telefon zwischen Daphne und Jelmer.  Diese Gespräche führen zu vergeblichen Lügen in die sich letztendlich alle verheddern. Geht es nicht weiter mit den Lügen, so biegt sich Daphne ihre Realität zurecht, wie es ihr gefällt. Ihr Credo, "bleib bei einer Lüge so nah wie möglich an der Wahrheit", funktioniert nicht und Daphne gesteht sich das nicht ein. Und der unsterblich verliebte Jelmer hechelt diesem, seinem Phantom Daphne irgendwo, irgendwie immer hinterher.
Dieses ist ein Eindruck den der Roman hinterläßt, eine Unstetigkeit und Unreife. Die Charaktere sind eigentlich stark gezeichnet, dennoch hat man öfter das Empfinden, sie sind oberflächlich und nachlässig. Brouwers ist sich nicht zu schaden, in alle Höhen und Niederungen des menschlichen Lebens einzutreten. Das macht den Roman einerseits sehr lesenswert, andererseits muß man sich auf Obszönitäten, Ungereimtheiten und Längen in der Erzählung einlassen. Am stärksten ist der Roman dann, wenn Jelmer von den Begegnungen mit seiner Tochter Hannecke erzählt. Dann wird er zärtlich und liebevoll. Der Zynismus, zu dem Brouwers neigt, ist verschwunden und die Hoffnung auf Veränderung und Verbesserung erwacht.
Alles in allem ein beachtlicher Roman eines bemerkenswerten Schriftstellers. Und ein niederländischer dazu, was mich nochmals darin bestärkt, die niederländische, moderne Romanwelt weiter zu entdecken.

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