Montag, 3. Oktober 2011

Max Frisch--Der Mensch erscheint im Holozän--Klassiker schon heute

Max Frisch gehört bis heute zu den Schriftstellern, zu denen ich immer wieder zurückkehre. Er hat mich seit jeher fasziniert und beschäftigt. Die Lektüre seiner Bücher bringt immer wieder neues zu Tage. Seine Ansätze, Thesen und Meinungen sind für mich zeitlos. Sein ständiges Ringen mit sich selbst, mit seiner Umwelt und der Frage nach dem menschlichen Sein, das ist immer modern.
Nun, Der Mensch erscheint im Holozän, diese kleine, kurze, fast schon knappe Erzählung zeigt die ganze Breite seines Denkens. 1979 erschienen, ist sie durchaus dem Alterswerk zuzurechnen. Ob sie autobiografisch ist, wie es mitunter behauptet wird, vermag ich nicht zu beurteilen. Darauf kommt es mEn auch gar nicht an.
Herr Geiser, der Protagonist, befindet sich in einem Tal im Tessin, durch ständige Regenfälle ist das Tal von der Umwelt abgeschlossen. Alleine in seinem Haus beginnt der Verfall dieses Menschen. Eine beginnende Demenz zeigt ihre ersten Symptome. Herr Geiser merkt das und versucht verzweifelt seinem (Rest?) Leben eine Ordnung und damit wiederum einen Sinn zu geben. Das Leben reduziert sich auf einige Vorräte und eine bescheidene Bibliothek. Erst liest er, später schneidet er aus den Büchern aus und sammelt Zettel, quasi auch Versatzstücke aus seinem Leben. Ein Ausbruch gelingt nicht und schlußendlich erleidet er noch einen Schlaganfall. Also faßt schon ein normaler Gang eines Lebens, zum Schluß zusammen gehalten von dem Wunsch nach Struktur und Ordnung.

Ob es noch Gott gibt, wenn es einmal kein menschliches Hirn mehr gibt, das sich eine Schöpfung ohne Schöpfer nicht denken kann, fragt sich Herr Geißer. (S. 17)
Ist diese Fragestellung nicht eine, die Frisch ein Leben lang begleitet hat? Frisch als Zweifler. In Der Mensch erscheint im Holozän bringt Frisch diese Fragen auf wenigen Seiten auf den Punkt. Ein Buch, daß auch durch die Prägnantheit seiner Sätze, seiner Ideen lebt und beeindruckt. Herr Geiser stellt fest, wie nutzlos Wissen ist im Anblick der eigenen Vergänglichkeit. Alles verschwimmt, geht innerhalb kurzer Zeit verloren.
...schon  eine Stunde später erinnert man sich nur noch ungenau, vor allem Namen und Daten prägen sich nicht ein... (S. 28)
Alles vergeht, dem kann Herr Geiser nichts entgegensetzen. So betrachtet er denn seinen eigenen Verfall. Es bleiben nur Fragen am Ende eines Lebens. 
Seit wann gibt es Wörter? (S. 54) Ist es die Angst des Schriftstellers davor, die Fähigkeit zu verlieren, zu schreiben. Diese Wörter kann es nur sehr kurze Zeit im Verhältnis zur Entwicklung des Universums, der Erde geben. Es sind eigentlich Momente, seit dem sie existieren. Wie bewußt muß das Frisch gewesen sein?
Frisch ist und bleibt Skeptiker, wohl sein ganzes Leben lang. Ist es das, was ihn in seinem Schreiben voran trieb? MEn durchaus denkbar.
-daß es Gott gibt, wenn es einmal keine Menschen mehr gibt, die sich eine Schöpfung ohne Gott nicht denken können, ist durch die Bibel und das Muttergottes-Fresko nicht bewiesen; die Bibel ist von Menschen verfaßt. (S.102/103) Und so findet der Mensch auch keinen Trost in der Religion.
Und so resümiert er fast schon: Es bleibt nichts als Lesen. (S. 16) Ob allerdings das Lesen den Trost spendet, den Frisch erwartet, mag dahinstehen. Seine Fähigkeit dem Leser vieles mit auf den Weg zu geben, ist unbestritten. Frisch gilt es zu entdecken, auch heute noch.

* Alle Zitat aus der Ausgabe Suhrkamp, 2011.

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