Mittwoch, 3. August 2011

Arnold Stadler--Komm, gehen wir

Diesen Roman entdeckte ich im modernen Antiquariat, ohne etwas über den Schriftsteller Arnold Stadler zu wissen. Eine gute Anschaffung, wie sich nach der Lektüre herausstellte.
Eine Dreiecksgeschichte zunächst zeitlich angesiedelt im Jahre 1978, dem Jahr der drei Päpste. Roland und Rosemarie, kurz vor ihrer Hochzeit,  machen Urlaub in Italien und treffen dort Jim, einen Amerikaner mit italienischen Wurzeln. Eine Dreiecksliebesgeschichte entsteht, wobei sich Roland in Jim verliebt. Diese Beziehung der drei bleibt nicht ohne Folgen. Rosemarie erwartet ein Kind von Jim, der allerdings in die USA zurückkehrt. Roland nimmt das Kind für sich an und lebt fortan in Erinnerungen an Jim. Es wird aus ihm ein Schriftsteller, nach seinem Philosophiestudium. Er schreibt ein Buch mit dem Titel: "Ungewaschene Erinnerung an die Liebe". Seine Geschichte mit Jim. Der Roman endet 10 Jahre später, wenn Roland nach Amerika reist, um Jim wiederzusehen. Das Ende läßt Stadler bewußt offen. Also ein Buch ganz ohne Happy End.
Zunächst hat mich bei der Lektüre die Sprache Arnold Stadlers angestrengt. Der Satzbau unerwartet, viele Abschweifungen. Doch mit zunehmender Lektüre entwickelt sich der Sprachfluß eingänglicher. Die Beschreibungen von Plätze und Orten, von Begebenheiten und den jeweiligen Familien werden plastisch durch den Stadlerschen Stil. Und immer wieder schreibt Stadler Sätze, die mich stutzten ließen. "Ein paar Deutschlandfahnen (es ist 1978) hingen immer noch von der Weltmeisterschaft her, schon fast im Nebel, von den Balkonen herunter. Und Franz Beckenbauer war auch nicht mehr da. Der Mensch konnte sich sehr verlassen vorkommen an Allerseelen." 
Die Liebe und der Tod sind häufig Thema in diesem Roman. Stadler ist bewegt von diesen bestimmenden Dinge im menschlichen Dasein. "... bekam der Großvater  die letzten Tage vor seinem Tod seinen geliebten Rotwein nicht mehr, um nicht süchtig zu werden und um nicht von der Justiz belangt zu werden, die längst, zusammen mit den Medizinern und den Experten, an die Stelle Gottes getreten war (sie stritten sich nur noch, wer das letzte Wort haben sollte)... So liegen Tragik und Ironie eng beieinander. Was die Liebe angeht, so stellt sich Stadler mehrmals die Frage, was sie denn sei. Eine Antwort, sie taucht häufiger auf: "...dass die Liebe das Warten auf die Liebe ist." Bedenkenswert. Stadler ist kein Freund von vorgefertigten Antworten. Nein, seine Antworten sind Zweifel. Zweifel an vielen Dingen, die als selbstverständlich hingekommen werden. Das hat mich beeindruckt. Komm, gehen  wir wird nicht das einzige Buch von ihm bleiben, was ich lese. Einmal auf der Welt. Und dann so steht schon im Regal.

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