Edith Kneifls Krimi ist erstmalig 1991 erschienen und wurde 1992 mit dem Friedrich-Glauser-Preis für den besten deutschsprachigen Kriminalroman ausgezeichnet. Nun ist dieser Roman, der vergriffen war, im Haymon Verlag als Taschenbuchausgabe neuveröffentlicht worden.
Zum Glück kann dazu nur gesagt werden, erhält der Leser doch einen interessanten, außerhalb des gängigen Krimigenres liegenden Roman.
Anna und Ann-Marie, eigentlich Anne-Marie sind alte Freundinnen. Die eine, Anna, lebt in Wien, die andere Ann-Marie in New York. Gemeinsamen haben sie ihre Vergangenheit in Wien, dort stammen beide her. Und nun ist Anna tot. Selbstmord sagt die lapidare Erklärung der Polizei. Ann-Marie glaubt das nicht, nein, nicht Anna, ihre gute, alte Freundin, die noch voller Pläne mit ihr war. Und so begibt sie sich in Wien auf die Suche nach dem Täter. Nur wenig Zeit bleibt ihr dafür und je mehr sie sich in dieser Suche verliert, umso mehr wird es auch eine Verwirrung ihrer Gedanken, Gefühle und auch Kenntnisse über ihre alte Freundin. Was ist im ihrem Bild über ihre Freundin richtig und was ist falsch? Sind alte Bilder richtig oder neue Informationen, die sie bekommt? Alles eigentlich offen, hin bis zum Schluß.
Edith Kneifls Roman ist unkonventionell. Nichts ist so, wie es scheint. Es herrscht mit zunehmender Geschichte der Zweifel vor. Keine strahlenden Krimihelden sind hier die Protagonisten, sondern Personen, die an sich zweifeln, zweifeln an dem, was sie bisher für richtig hielten. Das trifft besonders zu auf Ann-Marie, diese gebrochene Frau aus New York City. Sie nimmt an, daß ihre Freundin Anna einen Schlußstrich unter ihr Leben in Wien gezogen hat, ihren untreuen Ehemann verlassen und das ungeliebte Architekturbüro verkaufen will. Und sodann zu Ann-Marie nach New York gehen will. Aber immer mehr Zweifel kommen ihr nach Gesprächen mit verschiedenen Menschen, die Anna kannten und schätzten. Diese Zweifel macht Kneifl plastisch. Die Eigenschaften der handelnden Person verschwimmen mit fortschreitender Handlung. Spannend ist diese Konstruktion. Selten habe ich in einem Krimi so gut gezeichnete Charaktere gefunden. Beide Frauen sind in ihrer Gebrochenheit absolut authentisch. Die immer stärker werdende Skepsis bei Ann-Marie ist greifbar. Aber ist auch Ann-Marie die Person, für die sie sich auch selbst hält? Der Leser sollte bis zuletzt seine Vorbehalte haben. Nichts ist, wie es scheint, aber bis zum Schluß lesenswert und spannend. Dieser Roman ist gekennzeichnet durch dichte Beschreibungen der Psyche von Anna und Ann-Marie und das macht ihn unbedingt empfehlenswert.
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