Sonntag, 27. Januar 2013

Fernab und doch so nahe! -Maria Matios

Vielen Dank an dieser Stelle nochmals dem Haymon Verlag für die Zusendung der ebooks.
Maria Matios ist ein Entdeckung fernab vom üblichen Literaturzirkus. Das Buch nimmt den Leser mit in eine andere Welt und dennoch nicht weit weg, schaut man einmal auf die Karte. Auch ein Stück Literatur aus und für Europa.

Maria Matios ist eine ukrainische Schriftstellerin, die im deutschsprachigem Literaturbetrieb relativ unbekannt sein dürfte. Was auch nicht weiter verwunderlich ist, legt doch der Haymon Verlag nun erst eine Übersetzung ihres preisgekrönten Buches vor.
Man möchte sagen, zum Glück, denn das Buch „Darina, die Süße“ ist ein interessantes Stück Literatur aus einer Gegend, die wohl nicht jedem geläufig sein dürfte. Ort des Romans ist die Bukowina, jene historische Landschaft zwischen der Ukraine im Norden und Rumänien im Süden. Maria Matios kommt aus dieser Gegend, eine Gegend mit knorrigen, ursprünglichen, mit ihrem Land verwachsenen Menschen. Und diese Menschen sind der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Die stumme Darina, im ersten Teil des Buches dem Leser vorgestellt, lebt in einem kleinen Dorf. Sie spricht nicht und wird daher als geistig zurückgeblieben von den Dorfbewohnern eingeschätzt. Keiner weiß, warum sie nicht spricht. Das wird aufgelöst im zweiten Teil des Romans, der zugleich zurückspringt in die Vergangenheit. Auch in eine Vergangenheit, die vor der Geburt Darinas liegt. Der Leser erfährt sehr schnell, daß dann Darina in eine Zeit des Umbruchs hinein geboren wird.  Als kleines Mädchen lebt sie dann  Ende der 1930er/Anfang 1940 Jahre. Eine Zeit, in der nicht nur die Bukowina  einen Umbruch erlebt. Verschiedene Besatzungsmächte muß der Landstrich über sich ergehen lassen. Und dazwischen die kleine Familie, zerrissen in den historischen Umwälzungen der damaligen Zeit, so schlimm, daß sich Darinas Mutter das Leben nimmt.
Zunächst habe ich mir die Frage gestellt, was soll das alles, nicht schon wieder ein Roman/ ein Buch über die Geschichte weit entfernter Völker und Landstriche, zerrieben im Lauf der Jahrhunderte. Aber schnell wurde mir auch klar, daß hier die Geschichte anders erzählt wurde. Nicht anklagend, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger. Nein, ich hatte den Eindruck, daß das der Autorin fern liegt.  Maria Matios ist nicht von ungefähr die bekannteste Schriftstellerin der Ukraine.  Ihr Stil ist unaufgeregt und eindringlich. So stellt sie die Vergangenheit der Bukowina, auch ihre Heimat, dar. Die Zeichnung der Charaktere ist gelungen. Die Bevölkerung, in der Mehrzahl Bauern und Landarbeiter, werden nicht vorgeführt. Nein, liebevoll ist die Beschreibung der Menschen. Maria Matios entwickelt einen sehr eigenen Stil. Und sie arbeitet kritisch auf. Keine Ideologie kommt gut weg. Warum auch, litten die Menschen doch auch gerade in der Bukowina unter den verschiedenen Herrschaftsformen. Aber dennoch haben sie ihren Stolz und ihre Heimatverbundenheit nie verloren. Und dieser Roman von Maria Matios bewahrt die Erinnerung an sie!

Sonntag, 6. Januar 2013

Moritz Rinke--Der Mann, der durch das Jahrhundert fiel; gelungene Geschichte

Es ist ein witziges Buch, ja das ist es in der Tat. Warum muss man das so betonen? Nun, Moritz Rinke beweist mit seinem Buch, dass eine Form von Vergangenheitsbewältigung auch humorvoll geht.
Paul Wendland ist gebürtig in Worpswede, diesem fast schon sagenumwobenen Künstlerdorf in der Nähe von Bremen. Heute lebt er in Berlin und versucht sich dort, eigentlich erfolglos, als Galerist. Sein momentaner Künstler ist ein blinder Maler. Schon verständlich, dass ihm die kunstbeflissene Berliner Szene nicht unbedingt die Tür seiner Galerie einrennt! Und noch dazu seine Mutter, esoterisch bewegt lebt sie in Spanien und schickt ihm, per Post, immer ökologisch, biologischen Salat. Aber dann droht Ungemach. Das Haus der Familie in Worpswede droht im Moor zu verschwinden.
Worpswede, auch Geburtsort von Moritz Rinke, dieser Ort voller Kultur und Anekdoten, schräger Bewohner und intellektueller Sehnsucht. Dorthin muss Paul reisen, um das Familienerbe zu retten. Das Familienerbe, das nicht nur aus einem Haus besteht, sondern auch aus der Sammlung von Bronzeplastiken des  verstorbenen Großvaters. Und dieser ist gerade auch noch, posthum,  „Künstler des Jahres“ geworden. Nun stehen also im Garten des Hauses zahlreiche Plastiken so illustrer Persönlichkeiten wie Willy Brandt herum. Aber das Moor verschlingt nicht nur, sondern gibt auch Dinge frei, auch solche, die nicht unbedingt wieder an das Tageslicht kommen sollten. Und schnell stellt sich heraus, dass der Großvater während des 3. Reichs auch verherrlichende Plastiken von örtlichen Nazigrößen angefertigt hat und diese später dann im Garten vergraben wurden und im Verlauf der Renovierungsarbeiten das Tageslicht erneut erblickten. Wohin nun damit? Das passt doch nicht zum „Künstler des Jahres“! Also entsorgen, soweit möglich.
Man kann sich an dieser Stelle denken, dass alles irgendwann zusammenbricht.
Moritz Rinke ist ein Roman gelungen, der sich hervorhebt durch schräge, ungewöhnliche Charaktere und durch einen Witz, der nicht plakativ und plump wird. Angesichts der Thematik konnte sich  Moritz Rinke das auch nicht erlauben. Denn wenn ein Schriftsteller mit der Nazivergangenheit umgeht und das noch auf humorvolle Art, wenn das überhaupt möglich ist, dann müssen die Witze stimmen. Und hier stimmt es. Seltsame Charaktere, absurde Situationen runden das Bild ab. Der Roman ist damit aber auch ein Sittenbild des Ortes Worpswede, dadurch, dass er sich ironisch-kritisch mit seiner NS-Vergangenheit auseinandersetzt.
Dieser Roman stand wochenlang in der „Spiegel“ Bestseller-liste ganz weit oben. Zurecht!
Nicht nur der Erfolg sei Moritz Rinke gegönnt, nein, ihm ist auch etwas gelungen, was in der deutschen Literatur relativ selten ist. Er hat ein Buch geschrieben, was durchaus als „Bewältigungs“literatur zu bezeichnen ist. Das allerdings nicht mit der oftmals vorhandenen „moralischen Keule“ sondern humorvoll! Der schmale Grat zwischen Ernsthaftigkeit und Eulenspiegelei wird von ihm souverän beherrscht. So wünscht man sich öfter Bücher mit derartigem Inhalt. Geschichtsbewusstsein kann so besser geweckt und bewahrt werden, wie mit so manchem inhaltsschweren Geschichtswerk. Hier wird Aufarbeitung augenzwinkernd betrieben. Gut, dass auch solche Literatur gibt!

Dienstag, 1. Januar 2013

Jahresende

Etwas statistisches: Gelesen 56 Bücher mit insgesamt 16644 Seiten (wenn richtig gerechnet).

Highlights in diesem Jahr sicherlich der Erstlingsroman von Jan Christophersen, Schneetage. Schon zu Beginn des Jahres gelesen, ist mir dieses Buch gut bis jetzt in Erinnerung geblieben.

Eine Entdeckung als Schriftsteller: Martin Suter. Zukünftig werde ich noch weiteres von ihm lesen.

Überraschung: Jean-Marie Gustave Le Clezio, Nobelpreisträger können doch interessant sein. Giuseppe Tomasi Di Lampedusa, der große Italiener, eine andere Art der Literatur. Der Leopard steht ganz oben auf der Liste.
Michel Houllebecq, Karte und Gebiet, verblüffend wie poetische dieser Misantrop doch sein kann.

Hoher Standard und weiter zu entdecken: Paul Auster.

Enttäuschung:  Haruki Murakami, 1Q84, zuletzt das Buch 3 gelesen (1 + 2 Ende 2011). Irgendwie weinerlich, wenig überzeugende Geschichte.