Seethaler ist fast schon ein Phänomen. Ein Roman wie Der Trafikant zeigt sich als ein ganz starkes Stück Literatur. Poetisch, liebevoll, neugierig und traurig wird die Geschichte des Franz Huchel 1937 erzählt. Wien 1937, die Bedrohung durch die Nazis ist auch dort zu spüren. Franz wird aus der Provinz dorthin geschickt, um bei Otto Trsnjek zu arbeiten und zu leben. Bald herrscht zwischen dem Jungen und dem Alten doch so etwas wie eine enge Verbindung. Auch durch den Antifaschismus des Trafikanten geprägt.
Und Franz lernt in der Großstadt die Liebe kennen. Aber auch die Abgründe und Enttäuschungen der Liebe. Und vor allem lernt er Siegmund Freund kennen. Eine ungewöhnliche Verbindung entsteht. Der unbedarfte, ja naive Junge und der große Freud. Der Doktor und seine Couch. Aber bei Fragen nach der Liebe genau so hilflos wie der junge Bursche. Aber der junge Bursche muß schnell lernen, daß die Zeit über ihn schon fast hinweg fegt. Otto Trsnjek wird von den Nazis abgeholt und kurz darauf ermordet.
Franz reagiert so naiv darauf, daß es schon fast beim lesen wehtut. Er geht Tag für Tag zur Zentrale der Nazipolizei und fragt nach dem Verbleib von Trsnjek, so lange bis er brutal verprügelt wird. Die Zeit überrollt ihn, politisiert ihn aber auch. Er klebt als Widerstandshandlung sodann kleine Zettel an die Schaufenster des Trafik, um seinen Widerstand naiv und trotzig zu leisten. Das das nicht gut gehen kann, wird schnell klar und auch Franz von den Nazis verhaftet.
Der Roman endet dann 1944 als Franzens Liebe Anezka zum Trafik kommt, noch Reste von den Zetteln am Schaufenster findet. Ganz leise und eindringlich ist dieses Ende. Es sit offen, ob Franz die Nazizeit überlebt hat.
Seethaler läßt es wohl bewußt offen. Der Leser kann in die eine wie auch die andere Richtung denken!
Seethalers Sprache ist präzise und außerordentlich poetisch. Und auch gereift. Man hat den Eindruck, kein Wort zuviel, kein Wort an der falschen Stelle. Dieses setzt sich fort in seinem neuen Buch Ein ganzes Leben, welches ich allerdings bislang nur gehört habe. Der DLF brachte zwei Sendungen, jeweils eine halbe Stunde darüber. Seethaler las selbst. Und er kann das, da merkt man den gelernten Schauspieler.
Insgesamt ist Seethaler eine riesige Endtdeckung!
Nachklapp: Dieser Fund im www ist fast schon Satire. Eine recht bekannte Seite, die sich mit historischen Romanen befaßt und die mir schon den einen oder anderen Heiterkeitserfolg brachte, läßt Der Trafikant rezensieren. Ist ja auch logisch, spielt er ja 1937/38, also historisch! Nun, aber auch eine sehr schlichte Betrachtungsweise. Was dann allerdings vollends zur, dann doch schlechten, Satire führt, ist die Tatsache, daß die Rezensentin diesen Roman mit den Kategorien eines historischen Romans erfassen will! Da ist dann Lesen und Verstehen gründlich schiefgegangen! Gänzlich geht die Rezension schief, wenn die Rezensentin örtliche Ungenauigkeiten bekrittelt.
Nun bleibt nur noch: Ungenügend, setzen!
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