Es ist ein witziges Buch, ja das ist es in der Tat. Warum muss man das so betonen? Nun, Moritz Rinke beweist mit seinem Buch, dass eine Form von Vergangenheitsbewältigung auch humorvoll geht.
Paul Wendland ist gebürtig in Worpswede, diesem fast schon sagenumwobenen Künstlerdorf in der Nähe von Bremen. Heute lebt er in Berlin und versucht sich dort, eigentlich erfolglos, als Galerist. Sein momentaner Künstler ist ein blinder Maler. Schon verständlich, dass ihm die kunstbeflissene Berliner Szene nicht unbedingt die Tür seiner Galerie einrennt! Und noch dazu seine Mutter, esoterisch bewegt lebt sie in Spanien und schickt ihm, per Post, immer ökologisch, biologischen Salat. Aber dann droht Ungemach. Das Haus der Familie in Worpswede droht im Moor zu verschwinden.
Worpswede, auch Geburtsort von Moritz Rinke, dieser Ort voller Kultur und Anekdoten, schräger Bewohner und intellektueller Sehnsucht. Dorthin muss Paul reisen, um das Familienerbe zu retten. Das Familienerbe, das nicht nur aus einem Haus besteht, sondern auch aus der Sammlung von Bronzeplastiken des verstorbenen Großvaters. Und dieser ist gerade auch noch, posthum, „Künstler des Jahres“ geworden. Nun stehen also im Garten des Hauses zahlreiche Plastiken so illustrer Persönlichkeiten wie Willy Brandt herum. Aber das Moor verschlingt nicht nur, sondern gibt auch Dinge frei, auch solche, die nicht unbedingt wieder an das Tageslicht kommen sollten. Und schnell stellt sich heraus, dass der Großvater während des 3. Reichs auch verherrlichende Plastiken von örtlichen Nazigrößen angefertigt hat und diese später dann im Garten vergraben wurden und im Verlauf der Renovierungsarbeiten das Tageslicht erneut erblickten. Wohin nun damit? Das passt doch nicht zum „Künstler des Jahres“! Also entsorgen, soweit möglich.
Man kann sich an dieser Stelle denken, dass alles irgendwann zusammenbricht.
Moritz Rinke ist ein Roman gelungen, der sich hervorhebt durch schräge, ungewöhnliche Charaktere und durch einen Witz, der nicht plakativ und plump wird. Angesichts der Thematik konnte sich Moritz Rinke das auch nicht erlauben. Denn wenn ein Schriftsteller mit der Nazivergangenheit umgeht und das noch auf humorvolle Art, wenn das überhaupt möglich ist, dann müssen die Witze stimmen. Und hier stimmt es. Seltsame Charaktere, absurde Situationen runden das Bild ab. Der Roman ist damit aber auch ein Sittenbild des Ortes Worpswede, dadurch, dass er sich ironisch-kritisch mit seiner NS-Vergangenheit auseinandersetzt.
Dieser Roman stand wochenlang in der „Spiegel“ Bestseller-liste ganz weit oben. Zurecht!
Nicht nur der Erfolg sei Moritz Rinke gegönnt, nein, ihm ist auch etwas gelungen, was in der deutschen Literatur relativ selten ist. Er hat ein Buch geschrieben, was durchaus als „Bewältigungs“literatur zu bezeichnen ist. Das allerdings nicht mit der oftmals vorhandenen „moralischen Keule“ sondern humorvoll! Der schmale Grat zwischen Ernsthaftigkeit und Eulenspiegelei wird von ihm souverän beherrscht. So wünscht man sich öfter Bücher mit derartigem Inhalt. Geschichtsbewusstsein kann so besser geweckt und bewahrt werden, wie mit so manchem inhaltsschweren Geschichtswerk. Hier wird Aufarbeitung augenzwinkernd betrieben. Gut, dass auch solche Literatur gibt!
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