Sonntag, 8. Mai 2011

Sven Regener; "Neue Vahr Süd", der kongeniale Folgeroman von "Herr Lehmann"!

Man fühlt sich zurückversetzt in die 80er Jahre. Friedensbewegung, K-Gruppen und Ziellosigkeit nach der Schule. Alldas führt uns Sven Regener in Neue Vahr Süd in Erinnerung. Frank Lehmann hat eine Lehre als Speditionskaufmann absolviert und nun "vergessen" den Kriegsdienst zu verweigern. In den 80er ein unbedingtes Muß. Immer wieder dieselbe Frage an ihn, wie kann man nur die Verweigerung vergessen. Frank aber interessiert das eigentlich nicht, irgendwie egal. Irgendwie funktioniert nichts, die Beziehung zu den Eltern, die zum anderen Geschlecht und auch die Männer-WG ist bald überfüllt mit Punks, deren Musikgeschmack schon schnell den überzeugten KBWlern mächtig gegen den Strich geht. Dabei bleibt die frisch bezogene Wohnung natürlich unrenoviert. Die Nächte verquatscht man in Kneipen, deren Namen so vertraut wirken. Und über alles schwebt für Frank Lehmann der "Bund", zu dem er dann auch gehen muß. Selbstverständlich ist diese Welt nichts für unseren Frank Lehmann. Anpassung ist nicht sein Ding, weniger aus Überzeugung als aus Bequemlichkeit. Der Bund stört einfach und es verwundert nicht, daß ausgerechnet Franks G-Karte (was ist das überhaupt, ach, auch egal) bei der Eingangsuntersuchung fehlt und er damit im Grunde gar nicht beim Bund ist. Und so stolpert Frank Lehmann beim Bund von einem Fettnäpfchen und eine groteske Situation in die nächste. Die Dialoge sind lakonisch und urkomisch. Selten las ich absurde Situationen derart genau auf den Punkt gebracht. Regener gelingt es besonders, die grotesken Situationen des Bundeswehrdienstes in der damaligen Zeit zu dokumentieren. Wobei der Fairness halber aber auch gesagt werden muß, daß die Figuren der Bundeswehr, als da sind Major, Hauptfeld (webel) und der Spieß, durchaus mit Respekt, soweit möglich, dargestellt werden. Obgleich doch auch durchkommt, wie slapstickhaft einzelne Dienste bei der Bundeswehr gewesen sein müssen.  Auch im privaten schildert Regener herrlich die Absurdität des Alltags. Besonders auffallend sind dabei Lehmanns Eltern. Auch sie kennzeichen sich durch eine gewisse "Trotteligkeit" aus, die dennoch respektvoll geschildert wird. Wer hat sie noch nicht mitgemacht, die Dialoge sonntagsmittags am Tisch bei Braten und Kartoffeln, wenn Vater wieder einmal über alles Bescheid weiß, während Mutter sich immer beschwert, daß ihr niemand zu hören würde. Diese Genauigkeit im Detail macht den Roman unbedingt lesenswert. Und so überrascht Sven Regener mit diesem Roman doch sehr. Es gibt durchaus Schriftsteller, deren zweiter Roman doch gehörig in die Hosen gegangen ist. Nicht so bei Neue Vahr Süd, dieser Roman ist sogar noch besser als Regeners  Debut Herr Lehmann. Daher meine Empfehlung:unbedingt lesen!

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